ER-Präsident 2016/17

Am Montag hat er seine erste grosse Bewährungsprobe. Als neuer Präsident muss Andrea Duschén gleich eine Budgetdebatte leiten. «Ich spüre durchaus einen gewissen Druck», gibt der FDP-Politiker zu.

nterview mit Andrea Duschén, dem neuen Präsidenten des Wohler Einwohnerrats

Wohler Anzeiger 8. Januar 2016

 

«Wir führen kein Lustspiel auf»


Am Montag hat er seine erste grosse Bewährungsprobe. Als neuer Präsident muss Andrea Duschén gleich eine Budgetdebatte leiten. «Ich spüre durchaus einen gewissen Druck», gibt der FDP-Politiker zu.


Chregi Hansen Seit gut einer Woche sind Sie offiziell der «höchste Wohler».
Was bedeutet Ihnen dieses Amt? Andrea Duschén: Es handelt sich um ein Ehrenamt, und ich fühle mich tatsächlich geehrt, das muss ich zugeben. Schliesslich wird nicht jedem diese Ehre zuteil. Für mich ist der Moment ideal. Es geht langsam, aber sicher Richtung Pension. Mit diesem Amt habe ich nochmals eine neue Herausforderung gefunden.
Sie wurden einstimmig gewählt.
Macht Sie das stolz? Das ist nicht so speziell, die drei Präsidenten vor mir wurden alle auch einstimmig gewählt. Aber klar: Sicher sein kann man vorher nie. Andererseits bin ich kein Typ, der aneckt, ich habe mit niemandem im Rat Streit, lasse auch andere Meinungen zu. Daher musste niemand eine Rechnung mit mir begleichen. Und wenn mir trotzdem jemand eins hätte auswischen wollen, hätte es sicher bessere Gelegenheiten dazu gegeben als bei der Wahl (lacht).
Haben Sie also eigentlich sofort zugesagt, als Sie vor zwei Jahren angefragt wurden? Nein, ich habe mir das lange überlegt. Denn das Amt ist mit Aufwand und Verantwortung verbunden. Ich habe daher Respekt vor dem, was kommt. Vor allem auch vor der ersten Sitzung. Eine Budgetdebatte gleich zum Auftakt der Amtsperiode, das ist wirklich nichts, was man sich wünscht. Überhaupt: Zwei Sitzungen im ersten Monat, so etwas musste vermutlich bisher noch kein neuer Präsident erleben.
Sie spielen als Hobby Theater, da sind Sie sich doch grosse Auftritte gewohnt. Müsste man meinen. Aber beim Theater habe ich viele Freiheiten, kann auch mal improvisieren, wenn ich den Text vergessen habe. Im Einwohnerrat gibt es hingegen viele Reglemente und Vorschriften, welche beachtet werden müssen. Da merkt jeder, wenn ich einen Fehler mache.
Sie haben zwei Jahre als Vizepräsident miterlebt, wie Ariane Gregor das Amt ausgeübt hat.
Können Sie von ihr etwas abschauen? Viele haben am Schluss gesagt, Ariane habe es gut gemacht. Das stimmt nicht – sie hat es hervorragend gemacht. Wenn ich mein Amt so gut ausübe wie sie, kann ich mehr als zufrieden sein. Sie hat in schwierigen Situationen schnell und richtig entschieden. Sie war immer gut vorbereitet, hat sich auf mögliche Situationen eingestellt, hatte die entsprechenden Paragrafen des Reglements stets zur Hand.
Wie können Sie den ganzen zusätzlichen Aufwand organisieren?
Mein Sohn hat vor einem Jahr die Geschäftsführung übernommen, dadurch habe ich dort etwas weniger Verantwortung. Ich habe nur noch ein 65-Prozent-Pensum an der Berufsschule und ein 40-Prozent-Pensum im Geschäft.
Das sind aber immer noch mehr als 100 Prozent!
Und trotzdem viel weniger als früher. Ich hatte mein ganzes Leben lang eine Sechstagewoche, habe viel gearbeitet und musste bereits mit 23 Jahren das Geschäft meines Vaters übernehmen. Jetzt habe ich endlich etwas mehr Luft. Wichtig ist, seine Zeit effektiv zu nutzen. Wenn ich beispielsweise hier im Geschäft gerade keine Kunden habe, kann ich auch etwas für die Schule oder für den Einwohnerrat vorbereiten. Und natürlich muss man Abstriche in der Freizeit machen. Eine Begorra-Produktion liegt sicher nicht drin (lacht).
Worauf freuen Sie sich mehr in Ihrem neuen Amt: auf die vielen Einladungen oder das Leiten der Sitzungen? Das kann ich noch nicht sagen, da ich noch nicht im Detail weiss, was genau auf mich zukommt. Ich freue mich auf möglichst viele interessante Anlässe und Begegnungen. Aber ich freue mich ebenso auf spannende politische Debatten. Ich mag beides.
Gibt es auch Dinge, vor denen Sie etwas bibbern? Ich muss sicher noch einiges lernen. So habe ich bisher keine Reden geschrieben. Da fehlt die Routine. Aber Angst macht mir das nicht.
Sie gelten als geselliger Mensch, der es gerne lustig hat. Werden Sie als Präsident für den einen oder anderen Lacher sorgen? Ein guter Spruch ist okay, wenn er spontan und im rechten Moment kommt. Aber: Wir führen im Casino kein Lustspiel auf, sondern müssen ernste Entscheidungen treffen. Da muss und werde ich mich wohl eher zurückhalten.
Ihre Wahl war unbestritten. Bei den anderen Ämtern gab es trotz der interfraktionellen Sitzung im Vorfeld einigen Streit.
Was ist schiefgelaufen?
Das hatte taktische Gründe. In Ihrem Kommentar haben Sie richtig bemerkt, dass der Rat auf die kleineren Parteien Rücksicht nehmen muss. Dieser Meinung bin ich auch. Und es hätte auch Kandidaten aus dem inneren Ring für das Vizepräsidium gegeben, die vermutlich gewählt worden wären. Diese haben sich aber nicht zur Verfügung gestellt. Cyrille Meier war für viele zu jung und zu wenig lange im Einwohnerrat. Die SVP hat mit Edi Brunner einen starken Gegenkandidaten aufgestellt. Bei den Kommissionspräsidenten lief es dann anders als abgesprochen. Geplant war: SVP und innerer Ring erhalten je ein Präsidium, entweder in der GPK oder in der EBK. Dann aber kandidierte Meinrad Meyer von der CVP als GPK-Präsident, was vorher nicht bekannt war. Dass die SVP nach Meyers Wahl aber mindestens ein Präsidium haben wollte, ist nachvollziehbar. Darum ging der innere Ring am Schluss leer aus.
Wie wichtig ist Ihnen als Präsident der Kontakt zu allen Parteien?
Sehr wichtig. Schon allein, um die Sitzungen vorbereiten zu können, muss ich wissen, wie die Parteien zu den einzelnen Geschäften stehen. Ich habe dabei sicher den Vorteil, dass ich mit allen gut zusammenarbeiten kann und mit niemandem ein Problem habe.
Sie haben es erwähnt: Sie starten gleich mit einer Budgetdebatte. Wie bereiten Sie sich vor? Ich spüre durchaus einen gewissen Druck, darum beschäftige ich mich schon seit Längerem mit dieser Sitzung. Es geht darum, alle Eventualitäten durchzudenken, um richtig reagieren zu können. Gleichzeitig habe ich aber die Hoffnung, dass nicht ganz so viele Anträge eingereicht werden, wie es für die erste Budgetsitzung im Oktober geplant war. Denn sonst wird die Debatte sehr aufwendig. Und das neu besetzte Ratsbüro hat schliesslich nur eine Woche zur Vorbereitung.
In Ihrer Amtszeit werden wichtige Entscheide fallen: Eisbahn, Badi, Schulraum, Bahnhof, Zentralstrasse, Verwaltungsreform, um nur einige zu nennen. Macht Ihnen das etwas Angst? Nein, überhaupt nicht. Denn ich entscheide ja nicht allein darüber, meine Stimme ist genauso viel wert wie die der anderen im Rat. Und mir ist es ehrlich gesagt sogar lieber, wenn wir interessante Geschäfte behandeln. In erster Linie bin ich aber froh, dass es endlich vorwärtsgeht. Wohlen braucht einen Entwicklungsschub. Man kann nicht immer darüber klagen, dass wir zu wenig gute Steuerzahler haben. Wir müssen jetzt investieren, damit wir später ernten können.
Aber haben wir dafür genug Geld? Wir müssen natürlich bei jedem Projekt genau hinschauen, ob es wirklich nötig ist oder ob wir es allenfalls noch etwas hinauszögern können. Letztlich aber haben wir das grosse Investitionsvolumen doch genau darum, weil wir viel zu viel zu lange hinausgeschoben haben. Damit spart man nicht. Das weiss jeder, der zum Beispiel ein Einfamilienhaus besitzt und dessen Unterhalt vernachlässigt.
Was sind für Sie die wichtigsten Geschäfte? Priorität hat in meinen Augen die Schulraumplanung. Wir müssen endlich wissen, wie es da weitergeht. Was brauchen wir, wo wird gebaut, was kostet das? Und für die Attraktivität der Gemeinde wäre die Sanierung von Badi und Eisbahn wichtig. Ob hingegen eine neue Zentralstrasse wirklich so viel bringt, da bin ich noch nicht überzeugt. Überhaupt: Das eine oder andere Geschäft wird vermutlich nach hinten geschoben. Nicht weil der Einwohnerrat das will, sondern weil der Gemeinderat kaum alle Geschäfte spruchreif vorbereitet haben wird.
Marlise Spörri hat sich gewünscht, als Präsidentin einen Stichentscheid zu fällen – und durfte es dann auch. Ariane Gregor war froh, war das bei ihr nie der Fall. Wie ist das bei Ihnen? Ich bin nicht darauf aus, einen Stichentscheid zu fällen. Denn damit verärgere ich automatisch die Hälfte des Parlaments. Es ist besser, wenn eine Mehrheit einen Beschluss fällt und dieser nicht von mir abhängig ist. Gerade auch bei Grossprojekten wie einer Eisbahn oder einer Badi wäre das belastend für mich. Aber: Wenn die Situation eintrifft, werde ich auch entscheiden.
Sie wirken seit 10 Jahren im Parlament mit. Wie erleben Sie die Politkultur in Wohlen? Wir hatten in Wohlen das Problem, dass es immer den einen oder anderen Exponenten gab, der vorzugsweise auf den Mann spielte und dem es nicht immer um die Sache ging. Und zwar nicht nur im Einwohnerrat. Aber ich habe die Hoffnung, dass es in dieser Hinsicht in Zukunft besser wird, da es doch einige Veränderungen gegeben hat.
Als Präsident können Sie ja dazu beitragen, indem Sie intervenieren.
Ich werde sicher eingreifen, wenn es zu persönlichen Angriffen kommt. Aber man muss sehen: Es gibt da keine fixen Grenzen. Was für den einen eine kritische Frage ist, kann für den anderen schon eine Beleidigung sein. Da ich selber eher der harmonische Typ bin, ist die Schwelle bei mir vermutlich tiefer als bei anderen. Allerdings will ich nicht im Rat den Schulmeister spielen. Eher suche ich nach der Sitzung das Gespräch mit der betreffenden Person.
Sie sind hier aufgewachsen, haben Ihr Geschäft hier. Was verbindet Sie mit Wohlen? Wohlen ist meine Heimat. Ich wohne sehr gerne hier. Muss aber zugeben: Ich kenne ja nichts anderes (lacht). Ich habe hier alles, was ich brauche, bekomme alles, was ich benötige. Wir liegen zentral in der Schweiz, man kommt überall schnell hin. Ich habe viele Freizeitangebote, bin schnell in der Natur. Vermutlich gibt es Gemeinden, die noch mehr zu bieten haben, aber ich brauche nicht mehr.
Was fehlt?
Mir fehlt ein Zentrum. Ein Dorfplatz, wo man sich treffen kann. Wo ist unser Zentrum? Für die einen ist es die Migros, für die anderen der Kirchen-platz, für die Dritten der Bahnhof. Alles ist verzettelt. Aber Wohlen hat sich so entwickelt, das lässt sich nicht rückgängig machen. Und es war sicher ein Fehler, dass man mitten im Dorf auf einer grossen Parzelle nur eine Garage gebaut hat.
Ist das Amt für Sie der Abschluss Ihrer politischen Karriere? Ich weiss es noch nicht. Ich werde mich sicher aus dem Rat verabschieden. Und ich glaube derzeit nicht, dass ein anderes Amt folgt. Was gäbe es noch? Grossrat? Gemeinderat? Ich habe gerne mitgewirkt, weil ich viel Neues erfahren habe und man hinter die Kulissen sieht. Aber ich erlebe jetzt den Höhepunkt meiner politischen Tätigkeit und kann nachher beruhigt zurücktreten.